Flensburger Lehrerinnen und Lehrer in der Kristina Academy in Tiwi


Nachdem der kenianische Deutschlehrer Michael 2013 während eines mehrwöchigen Praktikums an der Auguste-Viktoria-Schule (Flensburg) den deutschen Schulalltag kennengelernt hatte, waren es im Sommer 2014 nun Flensburger Lehrer/innen, die Einblicke in die Kristina Academy erhielten. Im Rahmen einer privat organisierten Reise während der Sommerferien konnten wir – eine kleine Reisegruppe, der unter anderem ein ehemaliger und zwei derzeitige AVS-Lehrer/innen angehörten – Eindrücke in Bezug auf unsere Partnerschule[1] und ihr Umfeld sammeln.

Unser erster Eindruck von Kenia war der eines Touristen: wunderschöne weiße Strände mit Palmen und kristallblauem Wasser, frische exotische Früchte, Austausch erster Floskeln auf Kiswahili mit den netten Hotelangestellten… im Hotel herrschte eine heile Welt. Das einzige Problem dort waren die Affen, die, wenn man unvorsichtigerweise die Balkontür des Hotelzimmers nicht richtig schloss, Süßigkeiten aus dem Hotelzimmer stahlen. Eine Safari vertiefte den Eindruck dieses wunderschönen Kenias: die Weite der Savanne, Löwen, Giraffen, Zebras, Flusspferde…. Dieses Land hat wirklich viel zu bieten!

Aber Kenia ist nicht nur das. Kenia sind auch die kleinen ärmlichen Hütten, in denen die netten Hotelangestellten mit ihren Familien wohnen. Kenia sind auch die Straßenverkäufer, die versuchen ihre geschnitzten Tierfiguren an die – aufgrund der vorangegangenen Anschläge – wenigen Touristen zu verkaufen, um ihre Familien an diesem Tag zu ernähren. Kenia sind auch die großen Gegensätze zwischen Arm und Reich und die daraus resultierende Unsicherheit: Nach Anbruch der Dunkelheit verlässt man aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu Fuß das Haus, Geldautomaten werden von bewaffneten Uniformierten bewacht … – Kenia ist viel mehr.

Noch bevor diese ersten sehr widersprüchlichen Eindrücke wirklich verarbeitet waren, ging es zum ersten Mal in die Schule. Die Fahrt nach Tiwi erfolgte in einem Matatu[2] – DEM Transportmittel in Kenia. Das allein war schon ein Abenteuer: Es ist erstaunlich, wie viele Menschen in diesem Gefährt Platz finden! Ein kräftiges Klopfen an das Autodach signalisiert dem Fahrer, dass er halten soll. Und da waren wir – in Tiwi: eine geteerte Straße, davon abgehend kleine Sandwege, zum Teil gesäumt von kleinen Hütten, vor allem aber Busch, in dem teilweise Vieh weidet. Aber ein Schild an der Straße zeigt dem Besucher, dass er richtig ist: Kristina Academy. Wir machten uns auf den Weg. Kenianer, die uns begegneten, schauten uns erstaunt an – was machte diese Gruppe Wasungu (Weiße) in Tiwi? Dann tauchte die Schule auf: Von hohen Mauern umgeben liegt sie dort, mitten im Busch. Die Tür ging auf und das Bild änderte sich schlagartig: ein Schulhof mit verschiedenen Spielgeräten (Wippe, Torwand…), gepflegte große Gebäude und vor allem: ganz viele lachende Kinder! Noch nie habe ich so viele Hände in so kurzer Zeit geschüttelt, so oft „Jambo!“ (Hallo!) erwidert!

Im Sekretariat wurden wir freundlich empfangen. Flensburg war hier bereits präsent: Ein großer inzwischen schon etwas vergilbter Artikel von unserem großen Sponsorenlauf hing dort mitten an der Pinnwand. Halima, eine ehemalige Schülerin dieser Schule, die inzwischen als Sekretärin dort arbeitet und schon sehr gut deutsch spricht, erklärte uns, wo Unterrichtsbesuche möglich waren.

Erste Station war die „Baby-class“. Kinder im Vorschulalter lernten Zahlen – auf Englisch. Im Kreis sitzend ordneten sie den einzelnen Zahlen Gegenstände zu: „Number one… like a stick! Number two like a bird!…“, formten diese Zahlen anschließend aus Knetmasse und wollten auch für ihr Werk gelobt werden. Dies geschah stets mit den gleichen Worten, in die die „Baby-class“ begeistert einstimmte. Wurde zum Beispiel die kleine Binti gelobt, riefen sie im Chor: „Well done Binti, what a wonderful girl, what a very nice girl!“, woraufhin die gelobte Binti aufstand, schwungvoll nach rechts und links knickste und sich mit einem „Thank you, thank you, children!“ für das Lob bedankte. Der Umstand, dass diese kleinen Kinder so viel auf Englisch sagen können, ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass diese Kinder nach ihren verschiedenen Stammessprachen zunächst Kiswahili und dann erst Englisch lernen!

Bei den größeren Kindern[3] haben wir uns den Deutschunterricht angeschaut. Wie bei uns im Sprachunterricht wurde die Uhrzeit gelernt, Vokabeln, Grammatik etc. Vor allem aber machte es den Schülerinnen und Schülern Spaß, zu zeigen, was sie bereits gelernt haben. Lächelnd erzählten sie von ihrer Familie, ihren Hobbys etc. Mit einem Lied begann und endete die Stunde – stolz sangen die Kinder es vor: „Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen sagen alle Kinder! Große Kinder, kleine Kinder, dicke Kinder, dünne Kinder…“. Deutsch lernen nicht alle Kinder, sondern nur diejenigen, die eine weitere Fremdsprache nicht überfordert. Diese Sprache ist den Kindern auch im fernen Kenia nützlich, weil sie ihnen Chancen in der Tourismusbranche eröffnet.

Mittags durften wir in der Schule mitessen: Ugali (Maisbrei) mit einer herzhaften Kohlsoße, eines der Lieblingsessen der Kinder. Erst etwas zögerlich, aber doch neugierig aßen wir das für uns ungewohnte Essen im Essensraum der Schule. Um uns herum saßen zahlreiche Schülerinnen und Schüler. Während die Großen ihr Essen löffelten und uns Fragen stellten, hörten die Kleinen neugierig zu und aßen mit den Händen. Dies ist in dem Alter noch üblich, den Gebrauch von Besteck lernen die Kinder erst später.

Bei einem anderen Besuch der Schule haben wir auch unterrichtet. Vor allem ging es darum, als Muttersprachler Deutschunterricht zu erteilen, über Deutschland zu erzählen (Begeisterung lösten die in Deutschland lebenden „wilden Tiere“ (= Gummibärchen) aus), aber es wurde auch getestet, wer den höchsten Turm aus Zeitungspapier baut, es wurde ein Lied gelernt, diskutiert, es wurden kleine Szenen vorgespielt etc. Es machte großen Spaß, mit den Kindern zu arbeiten, weil sie sehr offen und neugierig sind.

Ein weiteres Highlight war, dass wir die Patenkinder treffen konnten. Mein Patenkind ist erst in der dritten Klasse, spricht aber schon so gut Englisch, dass wir uns verständigen konnten. Auch die Patenkinder von anderen Lehrern/Eltern von Schülern der AVS haben wir getroffen und Briefe, Fotos und kleine Geschenke überbracht. Die Freude bei den Kindern war groß! Und wir haben uns gefreut, für die Flensburger Patinnen und Paten Briefe ihrer Patenkinder und aktuelle Fotos mitnehmen zu können.

Abschließend konnten wir noch Frau Rottland, die Leiterin des gesamten Projektes in Tiwi, kennenlernen. Gerade aus Deutschland zurückgekehrt, nahm sie sich Zeit, mit uns zu essen, und berichtete von den alltäglichen Problemen, mit denen sie immer wieder kämpfen muss, aber auch von den Erfolgen – so muss sich die Kristina Academy, was die Abschlussergebnisse ihrer Schülerinnen und Schüler angeht, nicht hinter den Ergebnissen anderer kenianischer Privatschulen verstecken und hat sich in der Umgebung inzwischen einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Dies ist besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, dass die Schülerinnen und Schüler der Kristina Academy aus sehr einfachen Verhältnissen stammen (über 90% der Eltern sind Analphabeten) und in schulischen Dingen zu Hause keine Hilfe erhalten können.

All diese Eindrücke haben mich in meiner Meinung bestärkt, dass es sinnvoll ist, dieses Projekt zu unterstützen. Es ist beeindruckend, was vor Ort mit den Patenschaftsbeiträgen und den Spenden aus Deutschland, zu denen auch die AVS einen Beitrag leistet, geschaffen wird. Zumal durch dieses Projekt nicht nur den Kindern geholfen wird, sondern auch neue Arbeitsplätze in Tiwi geschaffen werden für die Sekretärinnen, Fahrer, Nachtwächter, die Frauen, welche die in Kenia vorgeschriebene Schuluniform nähen, Lehrkräfte … und damit ihren Familien eine gewisse Sicherheit geboten werden kann. Daher an alle, die dazu beitragen, dass dieses Projekt besteht und fortgesetzt werden kann, ein ganz großes ASANTE (= Danke)!

Sina Kuhr (Lehrerin an der AVS Flensburg)

P.S. Dies war bestimmt nicht meine letzte Reise nach Tiwi!

[1] Seit Dezember 2013 besteht eine offizielle Nord-Süd-Schulpartnerschaft zwischen der Auguste-Viktoria-Schule (Flensburg) und der Kristina Academy in Tiwi.

[2] Matatus sind Kleinbusse, die die Menschen für wenig Geld von A nach B bringen. Ein Bussystem wie bei uns gibt es nicht.

[3] Die Schülerinnen und Schüler machen nach der 8. Klasse ihren Abschluss an dieser Schule und haben dann, wenn sie die entsprechenden Leistungen zeigen und Paten haben, die dies bezahlen, die Möglichkeit, auf eine weiterführende Schule zu gehen und ihr Abitur zu machen.